Momentan stehen drei Opern Schrekers auf dem internationalen Spielplan; hoffentlich vernichtet Corona diese Programme nicht nochmals. So viel wie möglich werde ich hier künftig auch versuchen, über Konzerte und Radiosendungen mit Musik von Schreker zu informieren.
OPERN – OPERE
- IRRELOHE – Opéra de Lyon 19.03. (Premiere), 22.03., 25.03., 27.03., 29.03. und 02.04. Inszenierung: David Bösch; musikalische Leitung: Bernhard Kontarsky; mit Tobias Hächler (Graf Heinrich), Ambur Braid (Eva), Julian Orlishausen (Peter), Lioba Braun (die alte Lola), Michael Gniffke (Christobald). Diese Produktion wurde 2020 kurz vor der Premiere wegen Corona abgesagt (ich hatte schon den Flugticket und das Hotel gebucht und freute mich schon auf die Lyonesische Küche…). David Bösch hat 2015 in Lyon schon DIE GEZEICHNETEN auf die Bühne gebracht in einer Inszenierung, die mir im Herzen geblieben ist: unter den 11 Produktionen dieser Oper, die ich insgesamt bisher erleben konnte (neun live und zwei auf Video), war diese die einzige, die mich am Ende durchaus mit einem Gefühl von Wunder und Schock lies – genau wie es bei diesem Stück immer sein sollte. sie immer wirken sollte. Von ihm habe ich außerdem in Antwerpen auch eine echt spannende Inszenierung vom WUNDER DER HELIANE erlebt (was wegen des ziemlich überladenen Librettos nicht so einfach ist) und eine kurzweilige Produktion von der TOTE STADT in Dresden. Kein Wunder also, wenn er zu meinen Lieblingsregisseuren gehört. Nicht weniger spannend ist aber der Einsatz von Bernhard Kontarsky: Der für die Verbreitung und Auswertung der Musik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts legendäre Dirigent, dem man u.A. sich für die erste Aufnahme von Zimmermans DIE SOLDATEN bedanken muss, dirigiert mit 83 (!) zum ersten Mal eine Oper von Schreker. In Lyon fand übrigens 2018 auch eine exzellente Produktion von Zemlinskys DER KREIDEKREIS statt.

- DER FERNE KLANG – Národní divadlo Prag 20.03. (Premiere), 29.03., 03,04., 10.04. und 26.04. Inszenierung: Timofej Kuljabin; musikalische Leitung: Karl-Heinz Steffens; mit Svetlana Aksenova (Grete), Aleš Briscein (Fritz), Miloš Horák (Dr. Vigelius), Daniel Scofield (der alte Graumann/ der Graf), Ivo Hracovec (der Wirt/ Der Baron), Jiří Rajniš (ein Schmierschauspieler), Daria Rositskaya (eine alte Frau/ eine Spanierin), Václav Sibera (der Chevalier). Auch diese Produktion hätte schon stattfinden sollen und wurde wegen Covid abgesagt. Laut Operabase sollte die Premiere schon im April dieses Jahres stattgefunden haben; auf der Seite des Nationaltheater Prags wird aber den 20. März 2022 als Datum der Premiere angezeigt. Ich werde die Freunde in Prag fragen und das Geheimnis enthüllen. Der junge Theaterregisseur Kuljabin ist hier bei seiner dritten Opernregie nach PRINZ IGOR und TANNHÄUSER, beide am Theater Nowosibirsk – wobei er in beiden Fällen geschafft hat, großen Aufsehen zu erzeugen und im Fall von TANNHÄUSER sogar einen Skandal und eine Anzeige wegen Zweckentfremdung christlicher Symbole. Zu bemerken, dass in der Besetzung auch ein Gretes-Doppel erscheint. Karl-Heinz Steffens, der oft Raritäten der Musik des 20. Jahrhunderts – Zimmermann, Dallapiccola, Kabalewski – aufgenommen hat und auch ein Experte sowohl für das Opern- als auch für das spätromantische Repertoire ist, dirigiert auch zum ersten Mal eine Oper von Schreker. Ein paar Anmerkungen über die weitere Besetzung: Svetlana Aksenova (Grete), die neulich in Bregenz als Asteria in Boitos NERONE zu hören war, scheint eher im italienischen und russischen Repertoire spezialisiert zu sein (Desdemona, Tosca, Cio-Cio-San, Tatyana) – was aber in diesem Fall eher positiv auffallen; Aleš Briscein (Fritz) hat ähnliche Rollen schon gesungen (z. B. Paul in DIE TOTE STADT an der Komischen Oper Berlin); ich mag seine Stimme nicht besonders, aber für die Rolle des Fritzs gibt es sonst kaum andere Sänger); Daniel Scofield (der Graf) singt wiederum eher in italienischen Rollen, aber mal sehen, ob er auch zu einem deutschen Lied passt. Diese Produktion kündigt sich insgesamt als spannend an. DER FERNE KLANG in Prag stellt sich darüber hinaus im breiteren Kontext des “Musica non grata“-Festival Prag, bei dem seit März 2021 zahlreiche Konzerte mit Musik der vom Nationalsozialismus vertriebenen bzw. unterdrückten Komponisten im Programm stehen, mit einem besonderen Focus auf dem ehemaligen Opernchef des Neuen deutschen Theaters Prag Alexander Zemlinsky.

- DER SCHATZGRÄBER – Deutsche Oper Berlin 01.05. (Premiere), 06.05., 10.05., 14,05., 04.06., 11.06. Inszenierung: Christoph Loy; musikalische Leitung: Marc Albrecht; mit Elisabet Strid (Els), Daniel Johansson (Elis), Michael Laurenz (Narr), Thomas Johannes Mayer (der Vogt), Albi (Patrick Cook), Wirt (Stephen Bronk) Mit dieser Produktion vervollständigt Regisseur Christoph Loy ein Zyklus von Inszenierungen an der Deutschen Oper Berlin, deren vorigen Teile 2018 Korngolds DAS WUNDER DER HELIANE und 2021 Zandonais FRANCESCA DA RIMINI bildeten. Wie Christoph Loy selbst sagt: “Zentral ist in diesen Stücken das Frauenbild, das Anfang des 20. Jahrhunderts im Musiktheater regelrecht untersucht wurde: Man findet in den Stoffen natürlich die gängigen Begriffe wie die Femme fatale des Fin de Siècle, aber auch eine andere Form der Selbstbestimmtheit, die sich nicht nur über die Sexualität definiert” (Zitat aus dem Programmheft von FRANCESCA DA RIMINI der Deutschen Oper). Alle diese Figuren haben eine eher unkonventionelle Vorstellung von Liebe und Moral, und das Hauptkonzept bei diesen Inszenierungen ist den Umgang dieser Frauenfiguren mit den gesellschaftlichen Normen nicht mit Mitteln der modernen Psychologie platt zu begründen (wie etwas in Ivo van Hoves Amsterdam-Inszenierung von DER SCHATZGRÄBER passierte, nebenbei gesagt) sondern in ihrer ganzen Rätselhaftigkeit offen zu lassen – was meiner Meinung nach der einzige Weg ist, diese Oper von Schreker wieder aktuell fühlen zu lassen. Ich bin selbstverständlich echt gespannt. Der Dirigent Marc Albrecht, der schon 2012 in Amsterdam DER SCHATZGRÄBER dirigiert hatte, hat seitdem seine Kenntnis des Repertoires der Zeit weiter vertieft. Die erstaunliche Art und Weise mit der er die Partitur vom WUNDER DER HELIANE schon klingeln lassen hat lässt auch für den SCHATZGRÄBER sehr gut hoffen. Die weitere Besetzung ist auch grandios: Elisabet Strid (Els) kommt für einmal raus aus ihren wagnerianischen Rollen; Daniel Johansson hat schon Fritz in der Stockholmer Produktion von DER FERNE KLANG interpretiert; Michael Laurenz (der Narr) habe ich in Bregenz schon als Orsino in Goldschmidts BEATRICE CENCI erlebt (und da war er echt gut) und werde in Oktober in Basel in INTERMEZZO nochmals sehen.