1809
Beethoven: Klavierkonzert Nr.5 in Es-Dur “The Emperor”
Ein Monolith! Das letzte klassische oder das erste romantische Klavierkonzert? Jedenfalls eines der beliebtesten und am häufigsten aufgeführten! Schon die improvisierende Einleitung ist ein Novum. Faszinierend im ersten Teil vor allem das wunderschöne, entrückte 2. Thema und wie, nachdem das Orchester im Zwischenspiel sich majestätisch ausgebreitet hat, das Klavier sich mit einer chromatischen Aufwärtsbewegung elegant in das Konzert einfindet und zum Hauptthema zurückleitet. Der Kopfsatz nimmt über die Hälfte des etwa 40-minütigen Mamuts ein und wartet mit einer vielgestaltigen Menge harmonischer und gestalterischer Finessen auf. Der versonnen-schwebende zweite Satz gehört zum schönsten, was Beethoven schrieb. In seiner Weitschweifigkeit schon echt romantisch! Verblüffend, wie ein Passage fast wie von Mahler klingt: die Stelle am Ende des 2. Satzes, wenn das Klavier nach einer harmonischen Rückung des Orchesters das Thema des Finales zweimal leise und verlangsamt andeutet, um dann attacca in das feurige, rhythmisch-überstürzende Kehraus-Rondo überzuleiten. Das Orchester spielt in allen Sätzen eine dominante Rolle. Platte Klavierkapriolen weichen zugunsten einer symphonischen Anlage des Konzerts, welches wegweisend für spätere wichtige Konzerte (z.B. Schumann und Brahms) ist. Obwohl es eine Menge technischer Schwierigkeiten zu meistern gibt, ist das Konzert kein Virtuosenkonzert, sondern baut vielmehr auf ein empfindsames, mit dem Orchester abgestimmtes Spiel des Pianisten. Passagen wie im Finale des dritten Satzes, bei dem die Linie des Klaviers ständig vom Orchester übernommen und vollständig wird, wären früher undenkbar gewesen. Völlig unerwartet ist das Finale, wenn die ganze Energie der Musik plötzlich ausgebrannt scheint und das Stück quasi in Morendo ausklingt, bevor das Klavier mit einem letzten Zucken das Schlusswort in Fortissimo kennzeichnet. Das Konzert zeigt übrigens, vor allem im letzten Satz, eine bestimmte Verwandtschaft mit Beethovens 7. Symphonie – ist also kein isoliertes Stück, sondern Teil einer breiteren schöpferischen Welt. Komponiert für den musikalischen Erzherzog Rudoph, wurde das Konzert von diesem in privatem Rahmen Uraufgeführt. In der ersten öffentlichen Premiere saß Beethovens Schüler Czerny am Klavier. Beethoven spielte das Konzert nie selbst öffentlich. Den beinamen “The Emperor” gab Johann Baptist Cramer ihm.
[Musikbeispiele: Barenboim/ Staatskapelle Berlin]
1810
Kuhlau: Klavierkonzert in C-Dur Op.7
Ein recht braves Konzert, ideenmäßig eher einem mozartisch-galantem Rokoko verpflichtet, erinnern doch zumindest die ersten Takte thematisch stark an Beethovens erstlings-Klavierkonzert. Auch im weiteren Lauf des Stückes tauchen ein paar überraschende Stellen auf, die völlig aus dem überwiegenden Rokoko-Ton herausfallen, wie eine eher romantische Passage in der Durchführung des 1. Satzes, oder eine gewundene Modulation im Finale. Solche Stellen zeigen, dass eine modernere Musiksprache dem Komponisten nicht völlig fremd war. Der Rest bleibt harmonisch wie formell in den Grenzen der „klassischen“ Tonsprache. Im 1. Satz nimmt das recht platt Instrumentierte Orchestervorspiel ganze 3,5 min in Anspruch, bis das Klavier sich endlich vorstellen darf. Melodisch reizend ist vor allem der 2. Satz. Der 3. Satz ist durchaus etwas progressiver, das Rondo spielt u.a. auch mit skandinavischen Tanz-Rhythmen.
[Musikbeispiele: Malling/ Schønwandt/Danish RSO]
Weber: Klavierkonzert Nr.1 in C-Dur
Sehr á la Beethoven und dennoch eigen. Melodiös, bisweilen wild in seiner Dichte, mit vielen schönen Überraschungen! In knapp 20 Minuten lässt Weber durch leichte Kontraste im Ton, in der Harmonie und in der Instrumentierung eine bunte, phantastische Musikwelt entstehen, die fast wie ein Luftschloss vor dem Zuhörer zu schweben scheint. Der leichte Ton des raffiniert instrumentierten Marsch im 1. Satz nimmt im Mittelteil sogar eine Rossinische Färbung und weicht völlig vor der tiefen Kühle des sentimentalen 2. Satzes, nur für Streichquartett (und gelegentlich Hörner) instrumentiert. Besonders hier schafft es Weber eine stille, versonnene Stimmung zu destillieren, aus der fast in natürlicher Weise der Klangwasserfall des Finales entspringt. Auch in diesem letzten Satz beschränkt sich Weber keinesfalls in glänzender Virtuosität, sondern färbt den feurigen, polnischen Rhythmus mit humorvollen Dissonanzen, die den letzten Stich märchenhaften Kolorits diesem Konzert hinzufügen.
[Musikbeispiele: Demidenko/Mackerras/ Scottish Chamber Orchestra]
Lessel: Klavierkonzert in C-Dur
Schwach instrumentiert (überwiegend Streicher), ein Mix aus Mozart, Haydn und böhmischem Barock. Das belanglose Vorspiel raubt schon fast 3 Minuten, danach darf das Klavier spielen, um nur von gelegentlichen Akkorden bzw. kurzen Phrasen des Orchesters begleitet zu werden. Die Dialoge zwischen Klavier und Orchester bleibt in diesem Stück auf der niedrigsten Stufe. Der herbe Wechsel nach Moll in der etwa 4. Minute bricht für ein Moment die allgemeine Starrheit der Stimmung – ist aber auch etwas, das man schon bei Mozart und Haydn seit wenigstens 1760 oft gehört hat. Die einzige interessante Stelle im ganzen 1. Satz bieten die harmonischen Rückungen der etwa 9. Minute, die aber ohne Konsequenz vorbeigleiten. Der 2. Satz ist die totale Ödnis. Der 3. Satz könnte mit seinem Walzer-Rhythmus theoretisch interessant sein, zeigt aber schließlich die kompositorische Unfähigkeit von Lessel. Ständig unentschieden, ob er mit dem hübschen Motiv ein Thema mit Variationen oder ein Rondo schaffen sollte, macht er ein „weder noch“, das keinen Sinn hat und musikalisch völlig unbeständig bleibt. Da Lessel offensichtlich keine Ahnung hat, wie er das Thema entwickeln könnte um den Satz rund abzuschließen, platziert er einfach ein paar quasi improvisierte Tutti-Akkorde am Schluss: kaum ein fulminantes Finale. Nach diesem Konzert zu urteilen, ein scheinbar zu Recht vergessener Komponist!
[Musikbeispiele: Sofronitskaya/ Musiquae Antiquae Varsoviense]
[Alle Einspielungen sind auf http://classical-music-online.net/ zu finden. Die Musikbeispiele wurden von mir für diese Seite mit einer registrierten Version von WavePad vorbereitet]